Nosing – die Duftkomponente erkunden
Vorbereitungen
Vor dem Nosing (zu Deutsch in etwa „Erriechen“) und dem eigentlichen Beginn der Whisky-Verkostung, sollten Sie darauf achten, dass Nase und Mund möglichst neutral auf den Whisky zugehen können. Um diesen Zustand im Mund zu erreichen, eignen sich einfaches Weißbrot und stilles Wasser. Ist die Nase gerade noch mit anderen, intensiven Gerüchen beschäftigt, ist es gut einen kurzen Schritt vor die Türe an die frische Luft zu tun und ein, zwei Minuten die Nase „auszulüften“.
Genauso wie Mund und Nase bei Ihnen sollte der Whisky ein wenig vorbereitet sein. Schenken Sie ihn deshalb gerne frühzeitig ein, etwa ein bis zwei Zentiliter, als Faustregel gilt hier pro Jahr Alter des Whiskys eine gute Minute im Glas stehenlassen, bevor Sie mit dem Nosing beginnen. Verkosten Sie also einen 30-jährigen Whisky, schenken Sie ihn ruhig eine gute halbe Stunde vor Beginn der Verkostung in Ihr Glas, und geben Sie ihm die Zeit, die er zum Atmen und Entfalten braucht. Der Whisky war immerhin eine lange Zeit in seiner Flasche „eingesperrt“.
Erster Schritt: Das Beobachten
Und dann steht er da, der Whisky in seiner vollen Farbenpracht.Kippen Sie das Glas, halten Sie es ein wenig gegen möglichst neutrales Licht, um einen unverfälschten Eindruck zu bekommen.
Bernstein, Kupfer, goldene Reflexe, oder ein ganz zartes Honiggelb, vielleicht sogar mit leicht grünlichen Komponenten? Oder entdecken Sie kupfrig-rote Töne im Gegenlicht? Vielleicht sanft Strohgolden, vielleicht kräftig dunkel Bernstein-farben? Lassen Sie ihrer Phantasie freien Lauf. Wenn der Whisky, den Sie sich eingeschenkt haben ungefärbt ist, wird Ihnen seine Farbe allein bereits die allerersten Ideen über das Fass geben, aus dem der Whisky stammt, und wieviel Zeit er darin verbracht hat.
je älter ein Whisky umso kräftiger ist er in der Farbe
Dabei gilt die Faustregel, dass je jünger ein Whisky ist, je weniger Zeit er also im Holzfass verbracht hat, er umso zurückhaltender in der Farbe sein wird. Nachvollziehbar, stammt doch die Färbung aus dem Holz, und je weniger Zeit für die Interaktion zwischen Holz und Whisky bleibt, umso weniger Farbstoff kann aus dem Holz in den Whisky übertreten. Die kräftigsten Farbtöne finden werden Sie entsprechend bei alten, lange in ehemaligen Sherry-Fässern gelagerten Tropfen, blasse, helle Töne dagegen eher bei jungen Tropfen aus dem ehemaligen Bourbon-Fass.
Was Ihnen dann bestimmt auch auffällt: Beim sanften Schwenken Ihres Glases bekleidet der Whisky die Innenwände, und läuft in sogenannten „Tränen“ oder „Beinen“ (Englischer Fachausdruck „Legs“) wieder herab Richtung Boden Ihres Glases.
Whiskies mit kräftigem Alkoholgehalt, ziehen in breiten „Legs“ ölig-langsam die Innenwand des Whiskyglases hinab.
Je nach Alter und/oder Alkoholgehalt des Whiskies laufen diese „Beine“ breiter oder schmäler, kürzer oder länger, langsamer oder schneller die Innenseite Ihres Glases hinunter. Handelt es sich um einen jungen Tropfen, werden sich Ihnen vergleichsweise dünne „Beine“ zeigen, die relativ rasch hinabziehen und verschwunden sein werden. Ist es ein älterer Whisky, oder ein Whisky mit relativ kräftigem Alkoholgehalt, ziehen diese „Beine“ breit und ölig-langsam hinab.
Zweiter Schritt: Kontaktaufnahme
Rollen Sie den Whisky ein weiteres Mal sanft in seinem Glas. Dabei benetzten Sie die Innenwände erneut, diesmal um den Whisky auf einer möglichst großen Fläche verdunsten zu lassen. Und dann gehen Sie vorsichtig mit Ihrer Nase in etwa fünf Zentimetern Abstand über den Trinkrand des Glases und nehmen vorsichtig Kontakt mit dem Whisky auf. Atmen Sie verhalten und nicht zu tief die Luft über dem Glas ein und schließen Sie dann die Augen. Bewegen Sie gerne das Glas unter Ihrer Nase ein wenig hin und her, auf und ab. Schwenken Sie den Whisky vielleicht vorsichtig ein weiteres Mal.
Dritter Schritt: Das eigentliche „Nosing“
Sobald die Luft über dem Whisky-Glas in Ihre Nase einströmt, beginnt das eigentliche „Nosing“, das Erriechen und Erfahren der Aromenwelt dieses Whiskies.
Ein kleiner Tipp an dieser Stelle: Je nachdem, wie hoch der Alkoholgehalt ist, begegnen Ihnen im ersten Moment sehr deutlich –lassen Sie es mich euphemistisch formulieren- sehr prominente Alkohol-Noten.
Achten Sie zu Beginn darauf, dass Sie Ihre Nase nicht zu tief in das Whisky-Glas tauchen.
Achten Sie also sicherheitshalber darauf, dass Sie Ihre Nase nicht zu tief in diesen zunächst abfließenden Alkohol tauchen, da der Alkohol Ihre Sinneszellen sonst buchstäblich benebeln wird und Sie auch nach dem Abzug der Alkohol-Noten wenig von Ihrem Whisky werden riechen können.
So, die erste vorsichtige Kontaktaufnahme ist also erfolgreich abgeschlossen, eventuelle Alkohol-Noten haben sich verzogen. Jetzt kann es richtig losgehen: Lassen Sie an dieser Stelle Ihrer Phantasie ihren Lauf. Assoziieren Sie frei was Ihnen an Bildern beim Riechen in den Sinn kommt:
Sind es süße Noten, kräftiger Rauch und Torf, deutliches Jod, würzig-süßer Sherry, intensives Maggikraut, Meeresluft, Vanille, brotige Aromen, Gebackenes, dunkle Schokolade, Gummireifen, feuchtes Mauerwerk, Aceton, Leinöl, schwarze Johannisbeere, Honig, Heidekraut? Die Palette ist tatsächlich und ehrlich unerschöpflich und richtet sich ganz nach Ihnen mit Ihren persönlichen Lebenserfahrungen. Demnach gibt hier kein richtig und auch kein falsch, es gibt einzig Sie und Ihren Whisky, auch wenn Verkostungsnotizen oft andere Dinge suggerieren wollen. Der Whisky im Glas riecht so, wie er für Sie eben riecht.
Wenn Sie diesen ersten Eindruck gewonnen haben, nehmen Sie die Nase weg vom Glas und atmen Sie ein paar Mal durch. Stellen Sie den Whisky dabei gerne für ein paar Minuten zur Seite, bevor Sie ihn wieder „Nosen“.
Und dann geht es in die nächste Runde: Schwenken Sie ihr Glas erneut und nehmen Sie wieder Kontakt auf. Sie werden merken, der Whisky in Ihrem Glas hat sich im Vergleich zu vorhin verändert, er hat interagiert mit dem ihm dargebotenen Sauerstoff und sich noch weiter geöffnet.
ein zwei Tropfen Wasser verändern einen Whisky auf vielerlei Art
Vielleicht –wenn Ihr Whisky einen recht hohen Alkoholgehalt besitzt- wollen Sie an dieser Stelle vorsichtig ein, zwei, drei Tropfen Wasser beigeben, ihn kurz schwenken und noch einmal daran riechen. Auch das verändert einen Whisky auf vielerlei Art, öffnet ihn noch weiter und schafft oft Zugang zu wieder anderen, wieder neuen Aromenwelten.
Verschließen Sie nun für ein paar Minuten die Öffnung Ihres Whiskyglases mit Ihrer Hand, umschließen Sie die Tulpe mit Ihrer anderen Hand und wärmen Sie Ihren Whisky ein, zwei Minuten ein wenig an. Dann nehmen Sie Ihre Hand wieder von der Öffnung und nosen erneut. Wieder eine andere Erfahrung, wieder ein wenig andere Aromen, andere Nuancen, andere Höhen und Tiefen.
Und je nachdem, wie umfangreich Ihr Glas-Portfolio ist, machen Sie sich den Spaß und probieren Ihren Whisky in unterschiedlichen Gläsern. Sie werden feststellen, dass jedes Glas den Whisky auf bestimmte Art verändert, manche Aromen hebt, manche verschwinden lässt, und nicht jeder Whisky mit jedem Glas auf dieselbe Art und Weise „spricht“.